Wir müssen unsere Pensionskassen retten! Wirklich?
Immer wieder verursachen uns die Medien Bauchschmerzen, wenn sie zum wiederholten Mal verlauten lassen: «Wir müssen unsere Pensionskassen retten!». Unsere Pensionskassen jedoch waren noch nie so gut aufgestellt. Die hervorragende Performance der Finanzmärkte führte zu Rekordrückstellungen und die ausgeschütteten Zinsen überstiegen ein Vielfaches des vom Bundesrat festgelegten Mindestzinssatzes. Dieser Vorgabe vermochten nur jene Pensionskassen nicht nachzukommen, welche das Risiko der Langlebigkeit rückversichern. Woher aber stammt diese Unsicherheit, die von gewissen Medien gepflegt wird und sich dadurch in der Gesellschaft zu widerspiegeln scheint?
Nadège Bregnard, promovierte Finanzexpertin und Spezialistin für Pension Fund Governance, stösst per 1. Februar 2022 zur FCT-Gruppe. Die Leidenschaft für Zahlen und das Funktionieren der Vorsorge haben sie dazu veranlasst, auf diesem Gebiet während fast zehn Jahren wechselweise an der Universität Neuenburg bzw. dem eidgenössischen Bundesamt für Statistik zu forschen. Warum glaubt sie an das System der 2. Säule und was macht sie so zuversichtlich? Nadège Bregnard hat auf unsere Fragen geantwortet.
Warum haben Sie sich entschieden, Teil des FCT-Services-Teams, das die Sammelstiftungen der FCT und FCT 1e leitet, zu werden?
FCT und FCT 1e sind zwei grosse dynamische, innovative und transparente Sammelstiftungen. Besonders die Bereitschaft beider Stiftungen, für ihre Versicherten und angegliederten Unternehmen stets die besten Lösungen finden und anbieten zu wollen, erachte ich als sehr wichtig. Die professionelle Vorsorge braucht diesen unternehmerischen Geist. Ausserdem gefällt mir die Vorgehensweise der FCT-Gruppe sehr, sowohl junge Menschen über Instagram als auch Fachpersonen über LinkedIn zu informieren, zu orientieren und ihnen Sicherheit zu geben.
Sie betonen, dass für Sie gerade das Vermitteln von Sicherheit gegenüber versicherten Personen zum Funktionieren des Systems beiträgt, weshalb?
Das Ziel unseres Systems der sozialen Sicherheit ist es, Menschen mit Behinderung, im Ruhestand wie auch den anspruchsberechtigten Hinterlassenen bei einem Todesfall einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten. In diesem System spielt die 2. Säule eine tragende Rolle. Es ist wichtig zu sehen, dass gemäss einer kürzlich durchgeführten Studie des Schweizerischen Pensionskasssenverbands ASIP unser System die Bevölkerung viel besser vor akuter Unsicherheit schützt und sich die Pensionskassen in einem guten Zustand befinden. Laut der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) haben die Deckungsgrade der Schweizer Einrichtungen im letzten Jahrzehnt wie auch die Wertschwankungsreserven ihren Höchststand erreicht. Die Finanzierung laufender und zukünftiger Renten wurde sogar verbessert! Die Bevölkerung kann sich daher in unserem System sicher fühlen. Dabei muss man klar zwischen dem System selbst und den Lebenssituationen unterscheiden, die dazu führen, dass manche Menschen im Ruhestand erhebliche finanzielle Schwierigkeiten überwinden müssen: eine Phase der Arbeitslosigkeit, eine Scheidung, die Verringerung der Erwerbsquote durch das Hinzukommen eines Kindes usw. Ich denke dabei vor allem an Frauen.
Worauf beruht Ihre Aussage, dass es den Pensionskassen sehr gut gehe?
Die Reserven sind voll! Den Begriff «Deckungsgrad» verwende ich ungern, um die Gesundheit einer Pensionskasse auszudrücken. Vielmehr ziehe ich es vor, den Begriff «Reserven» zu nutzen, da dieser den Reichtum der autonomen und halb-autonomen Vorsorgeeinrichtungen mit Beitragsprimat objektiver zum Ausdruck bringt.
Ich konzentriere mich auf diese Kategorie, weil das Leistungsprimat nur 5 Prozent der aktiven Versicherten in der Schweiz ausmacht, d.h. etwa 200'000 Personen betrifft. Aus diesem Grund unterscheidet das Bundesamt für Statistik in seinen Ergebnissen nicht mehr nach diesem System. Ebenso tendiert das System der sogenannten Vollversicherung zu verschwinden, weil es für alle zu teuer ist und für die Ersparnisse der Versicherten zu wenig abwirft.
Zurück zu den Reserven der Pensionskassen, können Sie dazu noch mehr sagen?
Laut aktueller Studie von Swisscanto konnten die Vorsorgeeinrichtungen in den letzten zehn Jahren eine jährliche Performance von über 4 Prozent erzielen. Dabei ist das Jahr 2021 noch nicht mitgerechnet; in diesem konnten die Pensionskassen trotz Pandemie und je nach hinzugezogener Studie eine durchschnittliche Performance zwischen 8 und 10 Prozent erzielen. Die Institutionen rechnen demgegenüber für ihre Verpflichtungen mit einer viel niedrigeren durchschnittlichen Rendite-Erwartung (höchstens 2 Prozent). Dieser dritte Beitragszahler ermöglichte es den Institutionen infolgedessen nicht nur, ihre Situation zu sichern, sondern auch über 2 Prozent Zinsen auf die Sparkonten der Versicherten zu zahlen. Dies geht weit über den vom Bundesrat jährlich für den Pflichtteil beschlossenen Mindestzinssatz hinaus.
Der internationale Berater WTW (Willis Towers Watson) berechnete, global betrachtet, ein noch nie dagewesenes Niveau in der Vorsorgebilanz (Vorsorgeindex) von Schweizer Unternehmen. WTW misst seit Anfang der 2000er Jahre die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Vermögen und Verbindlichkeiten von Unternehmen, die den internationalen Rechnungslegungsstandards unterliegen. Die Pensionskassen arbeiten also gut!
Warum also Unsicherheit schüren?
In der Regel bilden die Medien die Realität einzelner Personen und deren Lebensweg ab. Der Weg jedoch ist lang und die Gesellschaft entwickelt sich, und damit unsere Lebens- und Arbeitsweise wie auch die Medizin, durch die wir immer länger leben. Aufgrund einiger konkreter Beispiele allgemeine Schlussfolgerungen zu ziehen ist relativ einfach.
Nehmen wir nun mal das Beispiel der bereits erwähnten Frauen. Das Bundesamt für Statistik hat Anfang des Jahres eine Medienmitteilung veröffentlicht, in der es im Wesentlichen heisst, dass Männer das Doppelte an Leistungen aus der 2. Säule erhalten als Frauen. Diese Ungleichheit rührt nicht vom Gesetz her, das unabhängig vom Geschlecht ist, sondern ist durch die Gesellschaft und ihrer Funktionsweise bedingt: Lohnungleichheit, Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen, Entschädigung bei Trennung bei verheirateten bzw. unverheirateten Paaren und so weiter. Das heisst, Frauen sollten sich für ihre finanzielle Situation interessieren und sich frühzeitig darum kümmern. Glücklicherweise sind die jüngeren Generationen sich dieser Diskrepanz bewusst und setzen sich dafür ein, sie zu ändern. Das zeigt übrigens auch die FCT-Studie auf, die einen geringen Unterschied zwischen Männern und Frauen unter 40 Jahren feststellt.
Sie haben eine Doktorarbeit über die Pension Fund Governance geschrieben, von der es online eine Zusammenfassung in 180 Sekunden gibt. Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Organisation der Pensionskassen entwickelt?
Ich halte die Konzentration der Pensionskassen für eine Chance der 2. Säule. Die Verwaltung der Pensionskassen professionalisiert sich, was sich günstig auf die Sicherheit der Versicherten, die Kosten und auf eine verbesserte Governance und Information auswirkt. Ich finde das von der FCT-Gruppe vorgeschlagene offene Architektursystem hinsichtlich Governance optimal, da es den Vertretern seitens Versicherten und Arbeitgebern ermöglicht, ihre Vorsorge zu gestalten und ihren Wohlstand zu wahren, während gleichzeitig Skaleneffekte erzielt und ein perfektes Risikomanagement gewährleistet werden können.
Wir danken Nadège Bregnard für diesen Beitrag und heissen sie herzlich willkommen.